MS Sans Souci: Plantours´ Perle von Peissen erwacht im Winterquartier
Ein Kreuzfahrtschiff mitten in Sachsen – Anhalt
Könnern kennt man, oder? Oder macht es eher bei Mukrena „klick“? Ich jedenfalls möchte zum Schiff und steige in Könnern – mitten im Binnenland Sachsen-Anhalts – aus dem Zug: Der ländliche Bahnhof begrüßt mich mit dem morbiden Charme vergangener Jahrzehnte.
Persönlich holt mich Reeder und Eigner Peter Grunewald am Bahnhof ab. Der erfahrene Flusskapitän begrüßt mich herzlich und nach einer kurzen Autofahrt tauche ich mit ihm in sein Revier ein: Am Fluss Saale an der Fischer Werft liegt sein Schiff jedes Jahr im Winter auf.
MS Sans Souci pausiert hier, bevor es in knapp drei Wochen mit urlaubshungrigen Reisenden „Leinen los“ für die Saison 2022 heißen wird. Ich betrete die zeitlos-elegante Eingangshalle und sehe sogleich, dass überall gewühlt, gearbeitet und das Schiff gewartet wird: ein bisschen Weihnachtsdeko ist ebenso noch präsent, wie die gewartete Sicherheitsausrüstung, die sorgsam geschützt verpackten Handläufe sind gut sichtbar und Werkzeug am Boden zeugt von Reparaturarbeiten an einer Tür.
MS Sans Souci ist in diesem Teil der Saale das mit Abstand größte Schiff und besonders von der gegenüberliegenden Stadt Alsleben ein echter Hingucker. Die in den Niederlanden gebaute, ehemalige MS Europa hat Kapitän Grunewald 2007 erworben, auf ihren heutigen Namen getauft und verchartert diese seither erfolgreich auf dem deutschen Markt. Die meiste Zeit des Jahres ist der wendige Flusskreuzer, der auf Grund seiner Abmessungen kleine Flüsse befahren und entlegene Orte erreichen kann, für Plantours Kreuzfahrten im Einsatz. Auch die Kieler Nachrichten setzen das Schiff für eigene Leserreisen ein und gelegentlich legt Reeder Grunewald auch eigene (Kurz-)Reisen auf. „Der Transfer des Schiffes zum Saisonauftakt ist so eine“ erklärt Grunewald. Dabei nimmt er Tagesgäste von Mukrena nach Magdeburg mit. Im Reisebus geht es anschließend für die Gäste wieder zurück zum Ausgangspunkt. So kurz die Reise am 12.03. ist, so beliebt ist sie auch und bereits lange vor Abfahrt komplett ausgebucht. Die Kurz-Flusskreuzfahrt dauert rund acht Stunden und beinhaltet ein Mittagessen mit Nachmittagskaffee. Wer dann noch immer hungrig ist, kann weitere Snacks an Bord erwerben. Das ist attraktiv und kommt jedes Jahr gut an. Weitere Informationen finden sich auf der Website von MS Sans Souci.
Gute Aussichten und zugleich Fachkräftemangel
Die Prognose für die Saison 2022 ist durchweg gut und die Auslastung hoch: „Die ersten Reisen sind bereits jetzt vollständig ausgebucht. Nach dem Corona-Horrorjahr 2020 geht es seit Sommer 2021 wieder aufwärts“ sagt Grunewald und ist optimistisch, dass Corona dieses Jahr zu keinen größeren Einschränkungen mehr führen wird. Weniger optimistisch ist er auf das angesprochene Thema der Bereederung. Hier sieht er die gesamte Branche vor großen Herausforderungen und sagt selbst, dass es immer schwieriger ist, gutes Personal zu bekommen. Der Fachkräftemangel ist längst da stellt er fest und freut sich zugleich über den hohen Anteil seiner Stammbesatzung.
Wartung und Reparaturen in der Winterpause
Bevor 2022 die Leinen gelöst werden können, muß die Besatzung wieder aufsteigen. Diese ist 23 Köpfe stark und kommt am 01.03. komplett an Bord erläutert ihr Chef. Bis dahin überwacht er selbst die durchzuführenden Arbeiten seiner kleinen „Winter-Crew“ und die der externen Dienstleister. Größte Punkte der umfangreichen Liste für die Liegezeit sind der Austausch von 18 Kabinenfenstern nebst Fensterrahmen Aus- und Einbau, sowie die gründliche Überarbeitung aller Holztischplatten im Panoramasalon.
Es werden auch unterschiedliche Schweißarbeiten durchgeführt, beinahe alle Außenflächen des Schiffes neu lackiert und ausnahmslos alle Teppiche und Polster gereinigt. Allein der letzte Punkt beansprucht eine örtliche Firma für gut drei Tage. Sobald die Crew vollständig ist und zum Dienst antritt, müssen „alle Hände an Deck“: dann wird die gesamte Sans Souci gründlich für den Saisonauftakt herausgeputzt und das Werkzeug wieder verstaut.
Nicht zu tief und nicht zu hoch
Nicht minder wichtig: Vor der ersten Kreuzfahrt wird in Berlin alles an Bord genommen, was für die ersten Flusswochen benötigt wird: Vom Kopierpapier, über volle Vorratslager, bis hin zu unzähligen Bierfässern. Knapp zwei werden täglich ausgetrunken – da kommt schon etwas zusammen. Getankt werden natürlich auch andere Flüssigkeiten: 57.000 Liter Diesel können gebunkert werden – der Verbrauch liegt im Schnitt bei 1000Liter/Tag. Dazu kommen 130Kubikmeter Trinkwasser, die auf zwei Tanks im Schiff verteilt werden können. Dieser Vorrat reicht für etwa 10 Tage bei vollem Betrieb. Wieviel letztlich gebunkert wird, liegt auch an den Wasserständen der befahrenen Flüsse – diese hat Grunewald immer im Blick, schließlich darf er bei Niedrigwasser nicht zu viel Tiefgang haben und umgekehrt auf Kanälen mit tiefen Brücken nicht zu hoch aufschwimmen. Ist es mal richtig eng, wird das Sonnendeck quasi abgebaut: „Wenn es schnell gehen muß, kommt auch die Küchen-Crew an Deck zum Helfen“ verrät er. Sein erhabenes Steuerhaus kann auf Knopfdruck komplett hinter der ein Deck tiefer gelegenen Bar verschwinden. Dann ragt die Sans Souci nur noch vier Meter über die Wasserlinie heraus. „Auch wenn es mal richtig eng wird: durchgekommen bin ich bisher immer ohne mir was am Schiff zu verbiegen“ berichtet er mir auf dem Sonnendeck.
Eisfahrt mit Spuren
Noch zum Saisonabschluß im Dezember 2021 mußte sich MS Sans Souci durch zugefrorenes Elbwasser in Wittenberge kämpfen: diese Spuren sind dem Rumpf noch anzusehen und er wird vor der ersten Abfahrt 2022 wieder hübsch lackiert.
„Zu tun haben wir immer genug“ lacht der freundliche Mann von der Brücke und ergänzt: „Langeweile gibt es hier an Bord nicht und jeder packt überall mit an wenn es nötig ist“. Seine Besatzung kennt er gut: „Für 2022 haben wir lediglich vier neue Besatzungsmitglieder – der Rest ist meine Stamm-Crew“ und deutet dabei auf den Küchenchef Christian der heute einfach mal vorbeigeschaut hat um in seinem Reich nach dem Rechten zu sehen. Der Magdeburger fährt seit über 12 Jahren für Grunewald´s Sans Souci und zaubert in der Saison täglich mehrfach die leckersten Gerichte auf die Teller der Gäste. In diesem Zusammenhang angesprochen auf das obligatorische Captains-Dinner an Bord lächelt der Schiffsführer verschmitzt: „Die Gäste erwarten das und freuen sich sehr darauf. Ich mache es immer noch gerne – sonst würde ich ja auf einem Tanker arbeiten.“
Eigner, Reeder, Kapitän und: Schlosser
Und genau das hat Kapitän Grunewald 1999 bis 2007 getan: Aufgewachsen in Mukrena hat er das Schiffsvirus vom Vater, der Werftarbeiter der ortsansässigen VEB-Werft war, in die Wiege gelegt bekommen. Bevor er seine Ausbildung zum Matrosen und Schiffsführer absolvierte, lernte er den Beruf des Schlossers und bringt entsprechend das Rüstzeug für den gesamten Schiffsbetrieb mit. Zunächst im Einsatz als Tanker-Kapitän und seit nun 15 Jahren als „Sans Souci Master“ auf den Flüssen Europas.
MS Sans Souci Rundgang
Bei einem ausführlichen Rundgang über seine Perle von Peissen zeigt mir Peter Grunewald jeden Winkel des Schiffes und spart nicht mit Fakten und Geschichten zu Schiff und Flusskreuzfahrt. Das wenige Kilometer von Mukrena entfernt gelegene Peissen gehört zur Kreisstadt Bernburg und ist Heimathafen der schmucken Sans Souci.
Die 42 Passagierkabinen des Schiffes präsentieren sich mir unterschiedlich: teilweise sind diese nahezu bezugsfertig, teilweise sind sie eine Baustelle, wo die Fenster noch zu tauschen sind. Apropos: die Kabinen auf dem Elbe – Deck überzeugen durch ihre französischen Balkone.
Alle Kabinen wurden 2019 aufwendig modernisiert und bescheren ihren Gästen ganz besondere Aussichten und Eindrücke. Auch die Liegezeiten der Sans Souci sind bemerkenswert ausgiebig: „Meistens bleiben wir über Nacht vertäut und fahren bei Tageslicht. Dies gibt unseren Gästen viel Zeit für Entdeckungen an Land sowie traumhafte Flusspassagen am Tage.“ erläutert er die Taktung des Fahrplanes für 2022. „Komplizierter ist es, die Liegeplätze zu bekommen. Diese werden von uns weit im Voraus reserviert und einzeln Ziel für Ziel manuell angefragt. Das ist echte Organisationsarbeit und die Rechnungen sind auch nicht ohne: im Schnitt fallen 400€ – 600€ für bis zu 24 Stunden Liegezeit an.“ Besonders teuer wird es in Hamburg und Köln sagt Grunewald und schaut wenig begeistert: „Hamburg kostet uns schnell mal 1400€ Liegegebühr und die Kölner kassieren ihre spezielle Bettensteuer“.
Nachhaltigkeit an Bord
Lieber investiert der Reeder in Nachhaltigkeit als in Gebühren und so zeigt er mir die neue Abwasseraufbereitungsanlage am Heck neben der Bordwäscherei. Das deutsche Spitzenprodukt von Martin Systems arbeitet beinahe wartungsfrei und reinigt die Abwässer biologisch ohne Chemie. Lediglich die übriggebliebenen Feststoffe werden in Form von Schlacke in den Häfen von Bord gegeben und dort fachgerecht entsorgt. Das Ganze hat seinen Preis sagt Grunewald: „Ein gutes Einfamilienhaus auf dem Land etwa und unsere Bordsauna mussten wir aus Platzgründen dafür opfern.“
Im Jahr 2020 wurden auch die Generatoren an Bord erneuert. Diese sind effizienter und arbeiten ressourcenschonender als die vorherigen. MS Sans Souci ist zudem mit einem Landstromanschluß ausgerüstet und sofern der Liegeplatz die Infrastruktur hat, kann die Emissionsbelastung weiter verringert werden.
Bereit für 2022
Ab Berlin gleitet MS Sans Souci am 14.03. bestens gewartet und herausgeputzt bekannten und neuen Ufern entgegen. Die Flusssaison 2022 wird bunt und bietet viel Abwechslung in jede Himmelsrichtung.
Zum Abschluss des Tages genieße ich den Blick vom Steuerhaus über das Vorschiff, die Saale und die untergehende Sonne. Nach dieser Tour hinter den Kulissen ist mir klar, dass ein Schiff niemals schläft – auch nicht im Winterquartier.