„Die Wiedergeburt des Windes als Schiffsantrieb der Zukunft“?
Bonn, 03.02.2020
Im Bonner „Haus der Bildung“ fand heute unter der Regie der „VHS“ ein Vortrag zum Thema „Die Wiedergeburt des Windes“ statt. Hierbei wurde analysiert, wie weit der Weg der kommerziellen Schifffahrt zu „Zero Emission“ ist, bzw. ob er überhaupt möglich ist. Dies zeigte der Referent des Abends Herr Siegfried Manzel von der „International Wind Ship Association“ sehr kurzweilig und fundiert auf.
Zu den Fakten des heutigen Abends:
Gegenwärtig wird mehr als 80% des weltweiten Warenhandels per Schiff abgewickelt und dadurch ist die kommerzielle Schifffahrt für 2,5% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Auch heute noch werden 2/3 aller Schiffe mit Schweröl(HFO= heavy fuel oil) betrieben. Neben Schweröl kommt auch (vermehrt) „Marine Diesel“ und „Liquefied Natural Gas“(LNG) zur Verwendung. Eine verbrauchte Tonne Schweröl wiederum setzt etwa 3 Tonnen CO2(Carbondioxid) frei, und verursacht zahlreiche, weitere Emissionen wie Stickoxide(NOx), Schwefeldioxid(SOx) und auch Ruß(Feinstaub). Letzterer fällt im übrigen nicht bei der Verbrennung von „LNG“ an, was neben 30% weniger CO2 und deutlich niedrigerem SOx ein großer Vorteil ist. Nachteilig ist, dass LNG zu >90% aus Methan besteht, welches selbst ein hochaggressives Treibhausgas ist und bis zu 80-fach über dem Wert von CO2 liegt. Zudem gibt es bei der LNG-Produktion und dem anschließenden Transport technisch bedingt einen „Methan-Schlupf“ von 2,5%; das bedeutet dass beispielsweise bei 1000Tonnen produziertem LNG 25Tonnen davon als Verlust in die Atmosphäre entweichen.
Weltweit werden im Schiffsverkehr jährlich etwa 300Mio Tonnen fossilen Treibstoffs verbraucht, was 900Mio Tonnen CO2-Emissionen entspricht. Zum Mengenvergleich: Dies entspricht rund den gesamten CO2-Emissionen Deutschlands.
Die „International Maritime Organization“(IMO) – eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen (UN) mit 173 Mitgliedsstaaten – hat sich zuletzt das Ziel gesetzt, den CO2-Ausstoß der Schifffahrt bis 2050 um mindestens(!) 50% zu reduzieren. Die Reduktion basiert dabei auf Vergleichszahlen aus dem Jahre 2008 und entspricht 450Mio Tonnen weniger CO2-Ausstoß pro Jahr – ein ehrgeiziges Ziel. Zuvor wurde innerhalb der Schiffsindustrie unter den relevanten Entscheidern abgefragt, wie hoch hier die Akzeptanz der Umsetzung wäre. Im Ergebnis befürworten 80% der Befragten die CO2-Reduktion und noch 75% der Befragten sind auch bereit, eine entsprechende CO2-Abgabe zu bezahlen. Denn klar ist, dass diese Reduktion nur mit einem hohen Investment in Forschung, Entwicklung und Umsetzung einhergehen kann. Daher hat die IMO in ihrer Umfrage eine Abgabe von 50$ je Tonne CO2-Emission unterstellt. Diese Zahl ist allerdings noch nirgends verbindlich vereinbart worden. Wenn diese Ziele bis 2050 auch realistisch erreicht werden sollen, müssen die Technologien bis 2030 zur Verfügung stehen und spätestens angefangen umgesetzt zu werden, da Schiffe einen entsprechend langen Lebenszyklus haben. Neu ist zudem der Vorschlag der EU-Kommission, die CO2-Emissionen auch in der Schifffahrt bereits bis 2030 um 40% unter den Stand von 2018 zu senken.
Gefragt sind also Alternativen zu den bisherigen, rein fossilen Verbrennungssystemen. Dabei werden grundsätzlich alle möglichen Optionen überprüft.
Hierzu eine kurze Übersicht:
Nuklearer Antrieb: Vorteil ist es gibt keine Treibhausgas-Emissionen. Nachteilig ist, dass es weltweit keinerlei Endlager für „verbrauchte“ Brennstäbe gibt, die die Menge der globalen Schiffsflotten aufnehmen könnte. Von Betriebsstörungen nuklear angetriebener Schiffe einmal ganz zu schweigen.
Wasserstoff Antrieb: Vorteil ist bei durch Elektrolyse „grün“ produziertem Wasserstoff, dass ebenfalls keine CO2-Emissionen freigesetzt werden. Nachteilig ist, dass Wasserstoff nahezu nicht in der Natur vorkommt und recht aufwendig produziert werden muß. Hierzu findet gegenwärtig eine starke öffentliche Diskussion über verschiedenste Produktionsmethoden für Wasserstoff statt, mit dem Ziel der Bundesregierung, für eine Übergangsphase „grauen“ Wasserstoff (aus Erdgas hergestellt) zu fördern.
Brennstoffzellen Antrieb: Vorteil ist ein hoher Wirkungsgrad bei gleichzeitig keinerlei Emissionen außer Wasserdampf. Nachteilig ist aktuell die Speicherung der Energie in Akkumulatoren und deren noch nicht ausreichender Leistungsfähigkeit, sowie einer nicht geklärten Akku-Recycling-Lösung.
Wind-Antrieb: Seit Ende der 1920er Jahre ist die Segel-Seefahrt-Ära vorbei; allerdings rückt der Wind unter den oben beschriebenen Aspekten nun wieder vermehrt in den Fokus. Ist doch der Wind mehr oder minder verfügbar und auch vollkommen emissionsfrei. Nachteil ist natürlich, dass der Wind zum einen nicht verlässlich planbar einsetzbar ist und er sich auch je nach baulicher Beschaffenheit eines Schiffes nicht problemlos „einfangen“ lässt. Allerdings gibt es zahlreiche Forschungen mit unterschiedlichen Ansätzen, die teilweise schon bis zur Serienreife gelangt sind und bei ersten Schiffen praktisch erprobt werden. Genannt seien hier die „Flettner-Rotoren“, „Dyna-Rigg“, „Skysails“, „Wind-Challenger“, „Energy-Observer“ oder „Econowind“.
Als Fazit des Abends lässt sich sagen, dass noch immer viel Forschungsarbeit zu erledigen ist und es im Hinblick auf die Antriebslösung mit Wind, kein Antriebssystem geben wird, welches „der“ zukünftige Antrieb sein wird. Sehr wahrscheinlich wird es je nach Schiffstyp verschiedene Hybrid-Lösungen geben, die ein Schiff mit verschiedensten Motor-Technologien und windunterstützt gemeinsam antreiben werden. Hier die richtige Antriebskombination zu finden, wird die Herausforderung der Zukunft sein.
Der Referent: Herr Manzel hat seine Wurzeln in der Touristik und gründete 2009 seine Firma „mantour“ – ein Beratungsunternehmen für innovative Tourismusprojekte mit Fokus für Nachhaltigkeit und Respekt. Dabei verfolgt er mit Begeisterung die Entwicklung zur Nutzung von Windenergie und Null-Emissions-Technologien für die Handelsschifffahrt, Kreuzfahrtschiffe und Energieerzeugung. Herr Manzel ist Mitbegründer und Country Manager Germany der „International Wind Ship Association“(IWSA) sowie des „Consortium Zero Emission Solutions“ (ConZES).
Die Organisation: Die „IWSA“(www.wind-ship.org) fördert die Entwicklung des Windantriebes für die gewerbliche Schifffahrt weltweit. Dabei bringt sie alle Beteiligten in der Entwicklung des Windschiffsektors zusammen, um eine positive Einstellung von Politik und Industrie der Windschifffahrt gegenüber zu begünstigen.